Nun denn – wer kann nicht auf dem langen Weg seiner eigenen Leiden Geschichten über Mangelhaftes der Schul- und anderer Medizinen berichten. Ich verfasse dieses Streiflicht auch nicht, um in Wehklagen auszubrechen. Jammern hilft eben nicht. Draufschauen und einer Praxis auch schon mal den Rücken kehren, und sei sie namentlich noch so renommiert. Speziell bei denen, die anstelle eines Kassenausweises ein Bankkonto vorweisen können. Und für Letztere mag es ja auch die angesagte orthopädische Praxis sein, wenn man zum Beispiel Klitschko oder Agassi heißt. Also in der vordersten Reihe der Sport-Tüchtigen und Meister steht.

Aber kleine Lichter wie die, die zwar monatlich auch einen ins Gewicht fallenden Beitrag zur Gesundheitsvorsorge zahlen, füllen der Ärzteschaft nicht die Konten. In Massen sind sie dennoch gern gesehen, weil sich das dann auch läppert. Hier ein Euro, da einer und – wie sagt der Volksmund – auch der erste Taler schon ist der Anfang zur Million.

 

Doch wo war ich stehengeblieben? Ach ja, bei Ärzten und Heilern. Diese beiden Begriffe bilden nicht unbedingt eines für das andere ein sinnvolles Synonym. Und keiner von Beiden ist per se das Nonplusultra.

Während die Fachgruppe der Orthopäden beispielsweise mit ihren Spritzen im Nebel der Möglichkeiten herumstochert, glauben einige Heilpraktiker, dass Scharlach mit roten Tüchern bekämpft wird und der Tetanus-Bazillus zwei Meter unter der Erdoberfläche zu Hause sei, weshalb er nur sehr sehr selten überhaupt mit dem Menschen in Berührung kommt.

 

Wobei ersteres den Krankheitsverlauf verzögert und zu Komplikationen wie bleibenden Herzschäden führen kann und letzeres aufgrund der irrwitzigen Annahme unweigerlich Tode führt.

 

Diagnosen zu erstellen, ist für viele Mediziner eine Sache von 2 Minuten. Haut das nicht hin, wird schweres Geschütz aufgefahren. Kernspin- oder CT-Diagnostik, weil der Blick auf eine durch Technik hervorgerufene Bildgabe vermeintlich sicherer ist als das Gespräch mit dem Patienten.

In Gesprächen mit Ärzten brachte ichin Erfahrung, dass ein Notfallgespräch in etwa zwei Minuten dauern darf, ein näher terminiertes glatte 10 Minuten.

Reicht das für eine ausführliche Anamnese?

Da wird dann ohne klare Erkennung des „Falles“ wild rezeptiert und eingenommen. Tagelang. Mit Null Effekt unter Umständen. Gut, das war es also nicht. Probieren wir etwas anderes aus und vergessen mal ganz schnell, dass der Patient mehrfach erklärt hat, hewisse Medikamenten-Unverträglichkeitwn zu haben. Steht ja auch nur im Bildschirm ein paar Eintragungen zurück. Guckt man sich nicht an. Die Zeit fehlt.

Wenn dann die Beschwerden nach Monaten auch im Ansatz noch nicht besser sind, ja, dann tritt die Phase des ärztlichen Frusts ein. Das Interesse erlahmt und wird durch neue Patienten ersetzt, die vielleicht Spannenderes zu bieten haben, wo man wonöglich dann auch mal schneiden darf.

Mit Anschluss-Behandlung des vernarbten Gewebes.

 

Vor einigen Jahren litt ich viele Wochen an einer schmerzhaften Schulterproblematik. Ich konnte den linken Arm kaum bewegen, geschweige denn, einen Becher mit Kaffee gefüllt anheben (was bei mir einer echten Behinderung gleichkommt, denn Kaffee braucht die Frau). Durch Röntgen stellte sich heraus – hätte man vermutlich auch ohne diagnostizieren können – dass es eine Verengung am Schlüsselbein-Ansatz gab.

Gleich erfolgte die Terminvergabe für eine OP, die diese Verengung beheben sollte. Also – sagte die Konifere ....ähem....Koryphäe von Arzt - Schulter-OP. Macht er sogar selbst, denn er ist der angesagte Arzt für diese Art der OP. Nicht, dass ich zu dem Zeitpunkt für alles dankbar war, was Linderung versprochen hätte, aber mulmig war mir schon. Einen Schnitt in einen „fast“ gesunden Teil des Körpers? Ein paar Wochen würden bis zum OP-Termin verstreichen und gaben mir die Gelegenheit, diese anstehende OP kritisch zu betrachten und mit Dritten darüber zu reden. So geriet ich an eine Physio-Therapeutin, die mir die Logik erklärte:

 

So eine OP kann Linderung bringen, muss aber nicht. Sie habe Patienten gehabt, deren Beschwerden bei dieser Diagnostik denen vor der OP nicht unähnlich waren und bei einer sei es zu einer Versteifung des gesamten Gelenks gekommen. Gut, so schwarz muss man es nicht malen. Aber diese Physio-Therapeutin riet mir, die Warteziet bis zur OP mit einer bestimmten Bewegungsübung zu füllen, um schon mal eine Besserung auch für die Zeit NACH der OP herzustellen.

Was soll ich sagen? Ich habe die Übung fleißig gemacht und konnte die OP ein paar Wochen später absagen. Zum Unmut des Chirurgen, der unter Umständen noch eine Schulter-OP auf seinem Werdegang zum Spezialisten hätte nachholen müssen.

Ich habe danach nie wieder Beschwerden gehabt. Kleine Anzeichen lassen sich mit besagter Übung SOFORT beheben.

Stimmte nun die Diagnose nicht oder hätte von Seiten des Arztes anderes versucht werden müssen. Man weiß es nicht.

 

Und so läuft es häufig. Ich kenne einen Arzt, dem es am liebsten ist, wenn ich selbst schon mal mit einer Diagnose komme. Er hat einen Standard-Satz, den er nach der Schilderung der Probleme von sich gibt:

„Was könnte es sein?“

Und ist heilfroh, wenn ich ihm meine eigenen Überlegungen mitteile, sage, was ich selbst vermute. So muss er nicht durch die Vielzahl der Möglichkeiten stolpern und beim nächsten Besuch feststellen, dass es „das nun eben wohl nicht war“.


Es gibt auch andere Ärzte. Vielleicht sogar die Menge mehr. Wir sind aber nicht in der Lage, alle Ärzte der großen Stadt aufzusuchen, sondern halten uns im Kreis des eigenen Umfeldes auf, loten hier aus, probieren dort und wenn wir Glück haben, sitzt der Arzt auch mit dem Angesicht uns zugewandt, hört zu, überlegt, ordnet an.

Anders als die Fließband-Aktionen in einigen Arztpraxen, in denen man von einem Zimmer ins andere geschleust wird, in jedem der Zimmer seine Zeit absitzt, ohne dass etwas geschieht.

Der Arzt meines Vertrauens hält Termine ein (es sei denn, er wird wegen eines Notfalls fortgerufen). Der Arzt meines Vertrauens hat sich vor meinem Eintritt in sein Sprechzimmer mit meinem „Fall“ befasst. Er weiß, bevor wir unser Gespräch beginnen, was im letzten Gespräch Thema war, welche Schwierigkeiten es wann gegeben hat. Das hat ihn vielleicht Zeit gekostet, denn ich nehme nicht an, dass die einzelnen Patienten ihm in ihrer gesamten Krankheitsgeschichte geläufig sind. Ausnahmen mögen sein, wenn es etwas Spektakuläres in der Vergangenheit gegeben hat.

 

Der Arzt meines Vertrauens prüft meine Daten ob einer möglichen Medikamenten-Unverträglichkeit und fragt schon mal, was außer dem geschilderten Problem ansonsten noch anliegt. Denn es ist ja möglich, dass Krankheitsprobleme ganz anderer Ursache sind als die offensichtlichen.

 

Der Arzt meines Vertrauens ruft mich auch an, wenn die Blutuntersuchung ausgewertet ist. Er beruhigt mich am Telefon schon, sollte ich Bedenken wegen einer ernsten Diagnose gehabt haben oder er teilt mir auch schon mal fernmündlich mit, dass er beabsichtigt, noch weitere Untersuchungen vorzunehmen und er erklärt mir auch, weshalb. Er lässt mich also nicht im Regen stehen.

 

Der Arzt, der mein Vertrauen nicht (mehr) verdient, schickt vorab eine Assistentin ins Sprechzimmer, in dem ich schon seit 20 Minuten vor mich hinstarre (denn Zeitschriften liegen nur im Wartezimmer). Diese geht schnurstracks zum Monitor, auf dem nach einem kurzen Tastendruck meine Daten erscheinen. Während ich schon halb ausgezogen – das war die Ansage von der Sprechstundenhilfe, die mich in diesen schuhkartonähnlichen Raum geführt hat – auf einer Liege Platz genommen habe und meine Füße schuh- und sockenlos herunterbaumeln, dreht die neuerliche Sprechstundenhilfe mir den Rücken zu und bearbeitet die auf einem erhöhten Pult installierte Tastatur. Der Bildschirm gibt meine Daten preis. Alle, die hier während der letzten Monate aufgelistet wurden. Akribisch. Lückenlos. Bestimmt.

Ich möchte den dann folgenden Dialog, der nun mit dem Rücken der Sprechstundenhilfe erfolgt, gern mal preisgeben:

„Frau S., was gibt es heute?“

Abgesehen davon, dass ich seit vier Monaten mit den selben Beschwerden hier in Behandlung bin und dies auch klar aus den Daten hervorgehen müsste, fällt mir nix Neues ein.

Also sage ich:

„Meine Beschwerden halten sich nach wie vor gut.“

„Welche Beschwerden sind das?“

Ich kann mich des Gefühls nicht erwehren, einem ausgefeilten technisch hochgestylten (auch äußerlich und von den Formen her) Roboter ausgeliefert zu sein.

Aber ich bin brav und antworte:

„Meine Rückenbeschwerden.“

„Welche Beschwerden haben Sie?“

Sie sieht es nicht, weil sie mir den Rücken zugedreht hat, aber ich raufe mir meine Haare.

Ich leiere also zum xten Mal meine Beschwerden herunter.

„Und wo sind die – links oder rechts?“

Sie waren immer rechts – also bisher. Vorsichtshalber versichere ich mir selbst, dass das auch so geblieben ist und antworte ihr dann deutlich und mit Betonung:

„Noch immer rechts.“

„Aha“.

Sie trägt irgendetwas ein und verlässt das Zimmer mit den Worten:

„Der Doktor kommt gleich.“

Vor meinem geistigen Auge schwebt ein Schild im Raum, das ich mal in einem Comic-Strip der Peanuts gesehen habe:

"The doctor is out"

Gleich heißt eine Viertelstunde später, in der ich aber keine Langeweile hatte, denn die Sprechstundenhilfe hat die Tür offen gelassen und es ist mir möglich, in die gegenüberliegende Schuhschachtel zu spähen, in der der Arzt mit einem Patienten zugange ist. Von dem Patienten kann ich die nackten Beide sehen und seine Stimme aus dem Off hören, denn die Untersuchungsliege ist meinen Blicken entzogen.

Ich bekomme den gesamten Dialog der Beiden Wort für Wort serviert, gebe das hier aber trotz der Druckreife aus Datenschutzgründen nun nicht preis. Denn es ist etwas anderes, wenn ich als verschwiegene Mitpatientin etwas erfahre oder es ins www stelle, oder?


Nach besagter Viertelstunde – der Arzt hat nicht nur den gegenüber einsitzenden Patienten „erledigt“, sondern ein paar Zimmer weiter Portionen von Spitzen verpasst – betritt er das von mir besetzte Räumchen.

 

Er gibt mir kurzfristig die Hand, wendet mir dann aber ebenfalls den Rücken zu. Er ist sehr groß und versperrt mir den Blick auf den vor ihm stehenden Monitor, in dem ich während der Abwesenheit irgendwelchen Personals ein wenig gelesen habe. Dabei stellte ich unschwer fest, dass die Sprechstundenhilfe sich mit Ernst Jandl verbündet und „die Patientin hat weiterhin im „lichten“ Rückenbereich Schmerzen“ eingetragen hat. Tippfehler oder war sie sich nicht sicher mit der Seitenverteilung? Es gibt Menschen, die es immer verwechseln. Rechts und links. Oder gehört sie zu der Personengruppe, die ein R nicht aussprechen können? Dann ist es mir neu, dass sie es auch nicht schreiben können.

Aber das soll nicht meine Sorge sein.

Den Arzt mache ich darauf aufmerksam, nicht, dass hier Missverständnisse entstehen. Sowas muss im Ansatz unterbunden werden.

Der Doktor nimmt meinen Hinweis zur Kenntnis und verfährt auf der Tastatur – ob er den Fehler behebt? Keine Ahnung.

Der nun folgende Dialog ist auch druckreif und zur Wiedergabe geeignet, da nur eigene Daten.


„So, die Beschwerden sind nicht weg. Haben wir schon mal eine bildgebende Einspritzung vorgenommen?“

Keine Ahnung, was er meint.
„Waren Sie schon im CT?“

Wie – irgendwann oder grad gezielt? Was meint er?

Nun wendet er sich mir mit einer halben Drehung seines Kopfes zu.

Es besteht die Möglichkeit eines Syndroms im L5-BEreich. Wir können da sehr gute Erfolge mit einer Spritze (!!! Ich hab mich schon gefragt, wann mal wieder eine Spritze zum Einsatz kommen würde!!!) erzielen. Machen Sie einen Termin an der Rezeption, am besten freitags.“

Und damit will er die Kammer verlassen.

„Herr Doktor, ich habe eine Bitte. Wäre es nicht möglich, das Ganze von einer physiotherapeutischen Behandlung begleiten zu lassen?“

Er schaut erst mich und dann den Monitor mit großen Augen an.
„Aber Sie machen doch schon eine.“

„Nein.“

Steht hier aber. Seit vier Wochen. Ein weiteres Rezept kann ich nicht verschreiben."

Ich versichere ihm, dass da ein Irrtum seinerseits vorliegen muss. Gefällt ihm nicht. Ich sehe es in Ermangelung seines Antlitzes an seinen hängenden Schultern.

„Ich habe noch gar kein derartiges Rezept erhalten.“

Ein kurzer wirrer Blick seinrseits, dann:

„Sind sie sicher?“

Ichmöchte nun ungern eine Disklussion über vorliegende Demenzerscheinungen auf den Plan bringen und so sage ich nur:

„Ja, klar bin ich sicher. Ich würde doch sonst nicht danach fragen.“

„Nun“, meint er, „dann verordne ich Ihnen jetzt sechs Behandlungen Physio. Und   Sie bekommen heute eine Dauer-Akupunturnadel gesetzt."

Anmerkung dazu:

Bis vor einem halben Jahr beschied meine Kasse einen Antrag meinerseits auf Akupunktur wegen der Rückenbeschwerden negativ. Seit neuestem ist es offensichtlich das Gegebene bei Beschwerden der Art, wie ich sie habe, ganz ohne vorherige Antragstellung. Nun denn.....

„Akupunktur habe ich doch die letzten Male schon ohne jeden Effekt erhalten. Meinen Sie, diesmal bringt es mehr?“

„Ja, absolut.“

Er nimmt also aus seiner Kitteltasche (!) ein Blatt, in dem Akupunkturnadeln, die  wie kleine Druckknöpfe aussehen, heraus, sprüht mir ein Desinfektionsmittel auf das Ohrläppchen, wobei die Hälfte mindestens im Gehörgang landet,, wischt ab und verpasst mir eine der Nadeln ohne großes Federlesen.

Ich habe – nur so zum Vergleich – vor vielen Jahren mal bei einer Chinesin eine Akupunktur-Behandlung vornehmen lassen. Bei dieser Ärztin, die ebenfalls medizinisch ausgebildet war, dauerte die Suche nach dem richtigen Punkt mit Nachfrage der Vorerkrankungen und allem anderen, was man als Arzt so vom Patienten wissen muss, eine ganze Stunde. Dann setzte sie die Nadel, hielt sie, drehte sie, wirbelte sie zwischen Daumen und Zeigefinger und schob sie dabei immer ein Ministückchen weiter in die Haut, bis ich es merkte und dies sagte. Es tat ein bisschen weh.

„Dann haben wir den richtigen Punkt“, erklärte sie mir. Vier Tage später waren meine Beschwerden Geschichte.

Nicht so der Doktor, von dem ich weiter oben berichtete. Er nahm mein Ohrläppchen, versetzte mir in einer Art Ohrlochstechen nun zum wiederholten Male die Nadel, klebte ein Pflaster darüber und fertig.

Ich muss nicht erwähnen, dass diese Nadel in Folge keinen Einfluss auf irgend etwas hatte. Zum Glück aber auch kene Nebeneffekte.

Ach, ich bin es leid, diese Geschichte noch weiter darzustellen.

Nur so viel: Weder die CT-Bildgabe-Spritze noch viele weitere Aktionen in dieser Praxis, weder die vielen neuerlichen Schmerzmittel noch eine Cortisonbehandlung brachten Ergebnisse, die mich sagen ließen: Die Schmerzen sind auch hier Geschichte.

 

Ich wurde dann zu einem Schmerztherapeuten überwiesen, der mir für ein Datum weit in der Zukunft einen ersten Termin geben konnte. Bis dahin wird aber noch viel Wasser die Berge hinab rinnen und ich werde erneut irgendwann selbst auf eine Lösung kommen.

Meine Vermutung ist, dass die Einlagen, die ich seit einigen Monaten tragen soll, mir eher schaden als nutzen und ich werde die nächsten Tage ohne Einlagen durchs Leben wandern.

Dann werden wir sehen.


Nachsatz
(ungefähr drei Jahre später)

Bei weiteren Untersuchungen nach einem Arztwechsel stellte der Neue fest, dass ich an einem Vitamin-D-Mangel litt, der so eklatant war, dass die Werte quasi im Null-Bereich lagen. Eine gezielte Vitamin-D-Therapie über das Schmerzzentrum vom UKE brachte baldige Linderung - nicht nur der Rückenbeschwerden. So einfach war die Ursache, so groß die Wirkung.