....aber was brauchst du wirklich?

Ich las den Slogan des Kirchentages, der 2013 in Hamburg über die Bühne ging und dort auch sein sein Ende fand. Mit diesem Spruch konnte ich durchaus etwas anfangen. Er ist ja nicht neu.

 

Nimm dir, soviel du brauchst. Ein Satz, den sicher jede/r von uns schon gehört hat. Soviel du brauchst, sagt die Mutter zum Kind. Nimm dir aus dem Glas mit den bunten Bonbons soviel du brauchst, sagt die alte Dame hinter dem Tresen des Tante-Emma-Ladens, sagt der Doktor nach einer tapfer überstandenen Behandlung.

Soviel du brauchst, sagt der Freund, der erfährt, dass du in finanziellen Nöten bist.

Soviel du brauchst, sagst du zum Nachbarn, der um eine Tasse Zucker bittet.

Soviel du brauchst, sagt die Liebende zu ihrem Liebsten und gibt sich ihm hin.

Soviel du brauchst....

 

Aber das 'Darüber nachdenken', das ist mir eigentlich immer entfallen.

Ich gehe im Leben nie davon aus, dass es Zufälle gibt. Alles geht seinen Gang, alles ist, wie es ist.

Da aber diese Worte von dem „soviel du brauchst“ tagelang durch die Freie und Hansestadt wehten, tobten, riefen, ist es klar: Das Nachdenken setzt ein.

Seit dem sehe ich sämtliche Preisschilder an den Waren und sämtliche Waren in den Auslagen überhaupt mit anderen Augen.

So streifte ich mit meinem Einkaufszettel an einem Nachmittag dieser Woche durch einen der größeren Supermärkte, die neben allerlei food auch allerlei non-food feil bieten. Insbesondere mixen sie mal gern Kaffee mit seidenen Höschen oder Gewürze mit einem vornehmen Käsemesser, geschmiedet bei Laguiole in Frankreich.

Manches, was in diesen Kombi-Regalen liegt, hängt, steht, könnte ich durchaus gebrauchen. Oder vielmehr – ich würde es gern haben wollen, halte mich aber doch zurück, weil – wirklich nötig hab ich es nicht. Ich „fühle“ regelrecht diesen Satz 'so viel du brauchst'. Nein, ich brauch diese Dinge nicht wirklich. Irgendwann vielleicht. Nein, nicht wirklich!!!

Und dann sehe ich den ultimativen Artikel hängen, den wir alle so notwendig brauchen wie ein Fisch das sprichwörtliche Fahrrad. Klarsichtverpackt, auf einem kleinen Plastikbügel (um das Plastik dieser Welt zu bereichern....), farblich abgestimmt und mit einem großen Pfeil und Unterstreichungen auf die Notwendigkeit hingewiesen. Wenn du zu dem Personenkreis gehörst. Zu dem elitären Kreis der SEITENSCHLÄFER! Ja, du hast richtig gelesen. Hier hängen 'Seitenschläfer-Kissen'! Wie bitte? DU HAST NOCH KEIN SEITENSCHLÄFERKISSEN?

Nie gehört? Immer einfach eine Handtuchrolle genutzt? Vielleicht noch mit einem Baumwolltuch bezogen? Oder die Faust unter das normale Kissen gelegt? Oder sind dir bisher noch einfachere Lösungen eingefallen, um deinen Nacken zu entspannen?

Und um noch eines drauf zu setzen: Es werden – logisch! - auch noch Seitenschläfer-Kissenbezüge angeboten. Ist ja klar. Die normalen Bezüge taugen ja nicht dafür. Diese Kissen sind vornehm schmal und so müssen logisch auch ihre Bezüge sein. Und dann schauen wir doch mal auf den Preis, wenn wir schon davor stehen und uns lustig machen. Na, wenn mich da mal nicht gleich mein Hamster tritt. Die sind ja teurer als jedes andere große Kopfkissen! Da kann man aus einem Kopfkissen nähender Weise glatt drei machen. Aber deshalb mit dem Preis gleichziehen? Nichts da! Nach einer Formel, die Einsteins würdig ist, wird hier hochgerechnet und da kostet so ein Seitenschläfer-Kissen – ohne einen Bezug! - dreimal so viel wie ein stinknormales Kopfkissen. Welches im Übrigen auch neben dem Kaffee angeboten wird. Man will die Normal-Schläfer ja nicht düpieren.

Ja, und wie viele von diesen Seitenschläfer-Kissen braucht der Mensch? Brauchst du, brauche ich? Na? Na, eben – soviel du brauchst. Nicht mehr, nicht weniger.