Dein Bestreben, ihr näher zu kommen, ihr nahe zu sein, konnte ich täglich beobachten. Diese Dosis des gegenseitigen Vertrauens war unübersehbar, obwohl euch von Natur kaum etwas verband, außer vielleicht das Favorisieren von Grün. Das habt ihr gepflegt, kultiviert, versucht, euch gegenseitig zu übertreffen. Wer am Schluss das Rennen machen wird, ist noch nicht absehbar. Nun, es ist bekannt, dass Gegensätze sich anziehen. Ganz offensichtlich war das Verlangen, die Sehnsucht unterschiedlich ausgeprägt. Sie, eben noch zögerlich, sich etwas zierend, dafür präsenter im gesamten Auftreten. Er - feingliedrig und zart, aber mit der Burschikosität, die notwendig ist, das Objekt seiner Begierde zu umgarnen und letztendlich einzuwickeln. Sie hätte ohnehin nichts entgegen zu setzen gehabt, selbst, wenn sie ihm nicht hold gewesen wäre. Sie war örtlich doch sehr an ihren eigenen Stammplatz gebunden und es hätte einer Brachialgewalt bedurft, sie von ihrem Platz zu vertreiben. Er nahm die Sache etwas lockerer; sicher, auch seine Wurzeln hatten sich irgendwann hier einen Platz gesucht, ein Stück eigenen Bodens, aber in der luftigen Höhe, die er trotz der Unterschiede zwischen ihnen durch entschlossenes Handeln erreichte, überwand er die Starre spielerisch und dann hatte er sie. Hatte die Leere zwischen ihnen überbrückt und die trennende Schlucht überwunden. Was scherte es sie beide nun, dass sie nicht vom gleichen Holze waren - die Linde und der Kiwi.

Im Garten gelegen, nach oben geschaut und beobachtet am 5. Juni 2010

Nachtrag: Heute morgen entdeckt: Der Nachbar hat dem Kiwi den liebenden Arm abgetrennt......10. Juli 2010