Reden wir vom Wetter?
Bleibt der Maienregen aus, steht uns Hungersnot ins Haus -
oder: Ist der Maien kalt und nass, füllts dem Bauern Scheu und Fass.
Die alten Bauernweisheiten haben ihre Berechtigungen. Im Mai muss Regen fallen, wenn es eine gute Ernte geben soll. Die Erde benötigt Wasser, viel Wasser, um das Wachstum voranzutreiben.
Außerdem: Immer, wann der Mai warm und trocken war, hatten wir einen verregneten Sommer. Im 100-jährigen Kalener und anderswo nachzulesen.
Kinder sangen: Maienregen fällt auf mich und wenn ich nass werd, wachse ich... Und die Städter waren froh über den Spruch "Ist der Maien kalt und nass, füllts dem Bauern Scheu' und Fass" , denn
sie wussten, dass ein nasser Mai einen warmen Sommer bringt.
Aber wir meckern. Wir meckern schon wieder, weil der Regen nicht aufhört. Zugegeben, dieser Mai ist der Kälteste seit ca. 70 Jahren, glaubt man den morgendlichen Miesmachern im Radio. Aber wir
wollen doch zu jeder Jahreszeit Sommer haben - zumindest einige von uns. Es wäre angeraten, dass diese Menschen sich andere Regionen auf der Erde suchen. Aber vermutlich ist es ihnen dort zu
heiß, zu erdbebengefährlich, es gibt allerlei Getier, welches nicht unbedingt im Streichelzoo gehalten werden kann und vieles mehr.
Wir haben also gute Chancen, dass der diesjährige Sommer seinem Namen alle Ehre machen wird. Wie anders sollte es nach diesem durchweichten Mai auch sonst sein?
Regentage in Hamburg
Wer im Lande bleibt und sich etwas wärmer anzieht, kann hier allerdings eine Menge erleben. Hamburg hat aufgewartet und lässt keine Wünsche offen, was die Freizeit
anbelangt. Die in Hamburg ansässigen Institutionen haben sich in diesem Jahr so allerhand einfallen lassen, um die Menschen zu Brot und Spielen zu rufen.
Spannend die Nacht der Museen, spannend einige Ausstellungen dort (z.B. "Störtebeker" im Museum für hamburgische Geschichte, "Hexenwelten" im Völkerkunde-Museum etc.).
Es locken Fahrten mit diversen Alsterdampschifffahrtsgesellschaftsreisen in die Kanäle und zu anderen lauschigen Plätzchen der Hansestadt. Da muss man nicht
befürchten, von oben nass zu werden. Die Schiffe sind - so man will - geschlossen. Und wer hier heimisch ist, weiß auch, dass Schiffbruch auf der Alster in einem Alsterdampfer (der längst nicht
mehr mit Dampf betrieben wird) noch lange kein Schiffbruch ist, denn alle diese kleinen weißen Fahrgastschiffe müssen so gebaut sein, dass sie beim Untergehen auf Grund setzen, bevor das Dach
unter die Wasserlinie geht. Da können dann die Fahrgäste trockenen Fußes stehen, bis die Rettung kommt.Schlau, was?
Wie gesagt: Wer in der Stadt bleibt und mürrisch zum Himmel mit den grauen Wolken blickt, sollte flugs eine Seite mit Veranstaltungen aufschlagen und schon muss sich seine Laune einfach bessern.
Sonst ist er selber schuld.
Regen-Lesezeit
Wer nicht vor die Tür treten will, weil er seinen Schirm gerade irgendwo hat stehen lassen, der kann sich mit Sommerlektüre in ein Polstereckchen verziehen und
genussvoll in den Seiten stöbern, Tee oder ähnliche aromatische Getränke mit Inhalt schlürfend.
Als Anregung ein paar Titel, die herrlich spannend und entspannend sind.
Ein tiefer Abgrund findet sich in dem Buch "Oskar Wilde im Wilden Westen". Ein Titel, der nur auf den ersten Blick triviale Hintergründe vermuten lässt. Hier hat der
amerikanische Autor Walter Satterthwait es sogar geschafft, die wortreiche und blasierte Sprache Wildes perfekt aufzugreifen, so dass der Eindruck entsteht, Oskar Wilde hätte Teile des Romans
selbst verfasst oder die Feder (pardon: den Computer) geführt. Wer Spaß an Sprache hat, für den ist dieses Buch genau die richtige Ferienlektüre.
Wer übrigens nicht selbst lesen, sondern zuhören möchte, für den mag das (fiktive) "Tagebuch von Oskar Wilde" (von Peter Ackroyd geschrieben, von Ulrich Matthes gelesen) eine Bereicherung der
eigenen Bibliothek sein. Auch hier ist es dem Autor gelungen, die Sprache Wildes in Stil und Umfang einzufangen.
Eine Spezialität für Hamburg-Freunde und solche, die es gern sind, ohne hier zu Hause zu sein, sind die historisch gut recherchierten und mit viel Lokalkolorit geschriebenen Bücher von Petra
Oelker, beginnend mit dem "Tod am Zollhaus".
Wer sich außer für die Ausstellung "Hexenwelten" auch für die Hintergründe der Hexenverfolgung interessiert, aber Sachbüchern in den Urlaubswochen eher abweisend gegenübersteht, dem sei die
Roman-Trilogie von Wolfgang Lohmeyer "Die Hexe", "Der Hexenanwalt" und "Das Kölner Tribunal" empfohlen. Egal, ob der Sommer wunderbar, verregnet oder durchwachsen war: In den Jahren des frühen
Mittelalters bis ins 18. Jh. hinein sind Menschen - vor allem Frauen - durch die Inquisition zu Folter und Tod verurteilt worden. Je länger diese "Hexenprozesse" andauerten, je mehr
Scheiterhaufen brannten, desto weniger Menschen gab es, die Mut genug hatten, dagegen zu arbeiten oder gar zu sprechen, wen wunderts. Zu diesen wenigen gehörte ein Mönch, ein Jesuiten-Pater
namens Friedrich von Spee, der zur damaligen Zeit ein Buch mit dem Titel "Cautio criminalis oder: Rechtliches Bedenken wegen der Hexenprozesse" verfasst und durch heimliche Wege an die
Öffentlichkeit gebracht hatte. Die Veröffentlichung ist - wie sollte es anders sein - auch ihm zum Verhängnis geworden, welches im 3. Band der Trilogie offenbar wird. Wolfgang Lohmeyer hat hier
keine Biografie geschrieben, und vieles an der Geschichte ist Fiktion, aber der Hintergrund ist außerordentlich gut recherchiert und glaubhaft. Friedrich von Spee und sein Werk sind real.
Letzteres ist von vielen späteren Verfassern gründlich durchleuchtet und besprochen worden. Übrigens: Unser allseits verehrter Herr Paracelsus (so um 1540) war ein rechter Verfechter der
Hexenprozesse. Er sagte: "Und was menschlicher Vernunft zu erfahren und zu ergründen ist, das kann durch diese Kunst der magica erfahren und ergründet werden (...) Denn magica ist eine behende
reine Kunst (...) Aber da ist Aufmerkens hoch von nöten, daß derselbe (Glaube) nicht zu einem Aberglauben oder Mißbrauch werde, dem Menschen zum Verderben und Schaden. Wie denn alle Hexen tun,
die sich in diese Kunst einflickt, sich darinnen geübt und sich mit ihr umgeben, wie eine Sau im Kot. So ist sie durch sie zur Zauberei geworden, und es ist nicht unbillig noch unrecht, daß man
sie und alle Zauberer mit dem Feuer hinrichtet." Und nach so einem Menschen werden Straßen, Schulen und Kliniken benannt.....
Seien wir froh, dass wir heute besseren Wissens sind (einige wenige Länder ausgenommen, versteht sich), dass Folter von der Genfer Konvention verboten wurde, dass Menschen trotz ihres fremden
Gebarens und/oder Aussehens bei uns Obdach und Fürsprache finden, dass wir allen eine Religionsfreiheit zubilligen (hört! hört!) und Bücherverbrennungen der Vergangenheit angehören, genau wie das
Verbot von Mischehen. Und dass wir - wie weiland der Jesuitenpater Friedrich von Spee - nicht zu feige sind, uns laut einzumischen, wenn Unrecht geschieht. In diesem Sinne: Einen schönen Maien -
trotz Regens.
©Margret Silvester, Sommer 2001; Erstveröffentlichung in iNForm Hamburg-Nord