Der Kampf ums Überleben

Versetzen wir uns zurück in die Zeit, in der die Menschen die Bäume verließen, um in den Weiten der Steppen ihr Glück zu erjagen. Das war nicht einfach. Es gehörte viel Geschick dazu. Immerhin waren die Zweibeiner nun in der Lage, ihre Hälse, auf denen ihre Köpfe saßen, über die Steppe zu erheben, um in der Ebene Beute auszumachen. Also zu einer Zeit, in der sie nicht mehr nur Sammler, sondern auch schon Jäger waren; in der sie sich nicht mehr das Aas mit anderen gierigen Vierbeinern teilen mussten, sondern die ersten am Platze waren. Manchmal waren sie allerdings auch die erste Beute.

Das war sicher alles nicht einfach. Viele Kilometer mussten sie zurück legen und das Wild verfolgen, oder sie mussten sich Fallen erdenken und diese dann einsetzen. Mit Glück hatten sie dann für sich und die Sippe auf Tage den Hunger bezwungen.

Alles schon sehr lange her. Unser Leben ist dagegen sehr viel einfacher geworden. Möchte man meinen.

Hätten wir nicht anstelle der schwer zu erlegenden Beutetiere die Verpackungsindustrie.

Ich möchte nicht wissen, wie viele Menschen schon dahin gerafft worden sind in dem Bemühen, den essbaren Inhalt aus der ihn umgebenden Schachtel oder Tüte zu lösen. Verschweißt, in doppelte Behältnisse verpackt, mit Aufreiß-Fäden ohne den geringsten Effekt oder perforiert an den Stellen, die dann besonders gut halten. Folienverpackungen, die ob des gewaltsamen Eindringens mit Hilfe eines Messers oder ähnlich ihren Soßeninhalt in die gesamte Küche verspritzen und man sich erstmal einer Ganzkörper-Reinigung unterziehen muss, ehe man das Abendessen weiter vorbereiten kann.

Nie werde ich den eingeschweißten Kaffee vergessen, der mit einem solchen Vakuum verschlossen worden war, das mit dem ersten Einschneiden quasi explodierte und den gesamten Inhalt an alle Wände pustete, nicht zu vergessen, dass das Kaffeepulver auf sämtlichen in der Küche verteilten Gegenständen eine hauchfeine dunkelbraune Schicht hinterließ, die - mit einem feuchten Tuch in Verbindung gebracht - noch lange an Ort und Stelle ausharrte.

Da war auch noch die schmale Dose aus bestem Plastik, die ihren Inhalt, bestehend aus feinem Lachs mit Öl und Dill, ums Verrecken nicht preisgeben wollte und auf keinen Fall an der dafür gekennzeichneten Markierung geöffnet werden konnte. Sie flutschte schließlich nach einem kurzen Einstechen mittels einer Schere durch die Finger und verteilte ihre „duftende" Fischöl-Lache all überall. Sehr zur Freude meiner Katzen. Wat dem een sien Uhl, is dem annern sien Nachtigall - sehr wahr.

Und dann noch der Karton mit den „nicht ganz so staubtrockenen Cerealien"; Angezeigt ist eine Faltung mit einer kleinen Schere und einer gepunkteten Linie. Diese Gebrauchsanweisung soll vermeiden, dass die genannten Cerealien bei längerem Stehen auch weiterhin nicht staubtrocken werden, weil der Karton dem Grunde nach später wieder gefaltet und verschlossen werden soll. Aber nix! Nach dem Aufschneiden halte ich auch die Teile der Falz in der Hand und die fehlen dann zum Zusammenklappen. Logisch.

 

Ach, fast hätte ich es vergessen: Das Katzenfutter - also das trockene. In hübschen bunten Alutüten und einer Anweisung, dass der obere Rand sauber abgeschnitten werden soll; ganz gerade rüber. Danach kann man die Tüte wie mit einem Reißverschluss öffnen. Ja, ja, manchmal geht das auch. Aber häufig genug benötigt man im Vorwege einen Besuch in einem Fitness-Center, damit man die nötige Kraft in den Armen bzw. Händen erwirbt. Aber dann VORSICHT! Zuviel Kraft führt dazu, dass der Inhalt sich schon frühzeitig auf den Weg zu den Näpfen macht und zwar in einer Menge, die nicht beabsichtigt war, wenn gleich die Kätzchen der gesamten Nachbarschaft das toll finden.

Nicht zu vergessen die Vielzahl der Dosen, die eigentlich mittels eines kleinen Blechringes zischend und erleichtert geöffnet werden sollten - sie brechen in der Regel an genau dieser Stelle ab und der Dosenöffner muss her. Es kann dann allerdings geschehen, dass der Rand der Dose den Schneider des Luxus-Öffners nicht erfassen kann und nun geht es mühsam mit einem spitzen Messer nach Camping-Urlauber-Sitte daran. Die Folge ist häufig ein kaputtes Messer.

Kleine verräterische rote Fäden, die andeuten, dass mit der Aufforderung „bitte hier ziehen" der Weg zu den leiblichen Genüssen und Gelüsten nun offen steht - sie sind nichts anderes als miese Stolpersteine, eingearbeitet von Maschinen, die ob ihrer stationären Lage frustriert in den Fabrikhallen stehen und dienen ausschließlich dazu, einem fröhlichen Guten Morgen am Frühstückstisch die Laune zu vermiesen.Mag auch sein, dass nicht die Maschinen daran die Schuld tragen, sondern die in diesen Fabrikhallen versklavten Menschen, die sicher lieber über die Steppen laufen würden.

23. Juni 2011