Handys - zum xten Mal

Ich kann mir nicht helfen: Ich bin immer wieder erstaunt über das Verhalten von Zeitgenossen, die in aller Öffentlichkeit Intimes zum besten geben. Sind sie narzistisch? Sind sie Exhibitionisten in einer Abwandlung - weil es ja nicht ums Sehen, sondern ums Hören geht? Eher noch ums Sprechen? Aber irgendwie haben sie wohl Spaß daran, dass die Menschen um sie herum teil haben an ihrem Leben, was sie gern und immer wieder per Handy preisgeben.

 

Der langen Rede kurzer Sinn: Gestern war es wieder so weit. Ich begegnete einem Prachtexemplar dieser Gattung Mensch. Und ich hatte das zweifelhafte Vergnügen, über sieben Stopps der U 1 ihm zuzuhören.

 

Stellen Sie sich einen Mann vor, so um die 55-60 Jahre alt, salopp gekleidet wenn ich es genau betrachte; er fläzt sich in eine der Doppelsitzbänke und kramt SOFORT sein Handy aus seiner Tasche (in solchen Situationen frag ich mich, weshalb er das nicht schon auf dem Bahnsteig beim Warten erledigt hat; etwas abseits von den anderen vielleicht).

 

Er macht dies alles sehr geräuschvoll, so geräuschvoll, wie es nur geht. Zwischendurch fischt er noch ein Taschentuch aus seiner Hosentasche und schneuzt sich - ebenfalls sehr geräuschvoll, damit auch jeder den Blick zu ihm wendet (bis auf die zwei Frauen, die ebenfalls mit ihren Handys zugange sind).

 

Ich lenke mich ab und schaue in diesen herunterhängenden Monitor, in dem man lesen kann, wie das Wetter morgen wird und wer welchen Fußball getreten hat, ohne richtig zu zielen und anderes mehr.

 

Das Ablenken nützt nichts, denn zwei Sekunden später hat der Herr mit dem Handy jemanden erreicht. Ich vermute, eine Frau, denn er sagt:

 

„Hallo, mein Schatz!"

 

Ich weiß, dass das nicht 100%ig stimmen muss, das mit der Frau, aber er sieht eher aus, als würde er zu der heterosexuellen Sorte gehören. Ist ja auch wurscht. Für das folgende Gespräch, dessen Zeuge ich werden muss, weil er eine so laute Stimme hat, spielt das eh keine Rolle.

 

Also noch einmal:

 

„Hallo, mein Schatz....ja, ich bin in der U-Bahn. Was machst du gerade?"

 

.................

 

„Ah, und geht es schon gut ohne den Rollator? Mach langsam.....

 

.............

 

„Ich hab heute auch allerhand erledigen können. War beim...... was?"

 

................

 

„Hast du schon in den Flurschrank geschaut?"

 

..............

 

„Da müsste er eigentlich ......ja, dann fällt mir auch nichts mehr ein."

 

....

 

„Ja, beim Arzt. Und er hat mir.....was?"

 

......

 

„Dieses Mittel - du weißt schon, ein anderes als Irmi es bekommt. Hat er mir gegeben. Soll stärker sein, heißt Ramzamzam oder so."

 

..............

 

„Ja, das soll stärker sein.......im Ernst? Das ist schön. Ja, wirklich. Freu ich mich. Dann können wir gemeinsam mit Marliese ...........ach so. Na gut, dann eben später.......oder Sonntag?"

 

..............

 

„Ja, ich hab noch einiges erledigt - heute - ich hab mir zwei Unterhosen.........

 

...sag ich doch, zwei Unterhosen. Ich zeig sie dir morgen, wenn ich zum Essen komme. Und Unterhemden.....nein, nicht bei C&A, da hatten sie die nicht in meiner Größe und die waren auch nicht trocknergeeignet.....wenn ich es dir doch sage. Da muss so ein Zeichen drauf sein und das darf kein Kreuz haben."

 

..............

 

„Jedenfalls habe ich mir dann zwei Unterhosen gekauft........welche Farbe? So ein gedecktes Weiß. Hab ich extra gemacht. Weil ganz weiß bleibt ja nie ganz weiß bei Unterhosen.......doch, diese hier können in den Trockner. Da ist das richtige Zeichen drauf........da hab ich dann keine Probleme....nee, das muss ja nicht sein. Namen? Meinst du?"

 

..........

 

„Marliese kommt doch. Vielleicht kann die das......aber meine anderen Sachen haben auch keine Namen drinnen."

 

........."Was? Du kriegst die Tür nicht zu. Und was wollte er schon wieder?"

 

................

 

"Was hast du denn damit zu tun?"

 

..............

 

"Unmöglich. Immer, wenn ich nicht da ......ach so, na gut.....ich bring dann die Heringe mit."

 

..............

 

"Den Kartoffelsalat - ah ja, machst du selbst welchen?"

 

.............

 

"Musst du ja auch nicht. Aber da unten am Imbiss  da gibt es Hering mit Kartoffelsalat. Da kann ich doch .... ach so, Marliese. Den von Hohmann? Und ich bring dann die Heringe........ja, das hab ich verstanden. Da müssen wir uns nicht in die Küche stellen."

 

.......................

 

„Ich hab dir doch gesagt, fang langsam damit an. Jeden Tag ein paar Schritte mehr. Erst mit dem Rollator und dann mit den Krücken. Immer den Flur..........nein, ich weiß auch nicht, wo der ist. ...... ich meine, der liegt....ah, da hast du schon nachgesehen........mein Schatz, hier kommt gleich meine Station. Morgen komm ich zu dir zum Essen. Dann bring ich die Unterhosen mal mit. Werden dir gefallen. Bis dann, ich muss."

 

Packt sein Handy ein und steigt aus.

 

Und ich als alte Hamburgerin hab früher über einen Klein-Erna-Witz gelacht:

 

Da sitzt Frau Pumeier - das ist die Mama von Klein-Erna - in der U-Bahn und hat lauter Einkaufstaschen dabei. Die eine macht sie auf (sie hat noch KEIN Handy und ist auch ohne Begleitung) und holt einen großen Schlüpper raus. Sie hält ihn in die Luft und sagt ganz trocken:

 

„Ach, nu ischer ja doch lila."

 

Ich habe die ganze Zeit darauf gewartet, dass der Herr mit dem Handy auch seine Schlüpfer rausholt.