Im Klövensteen

 Warum ist das eigentlich so? Weshalb neigen wir in der Mehrzahl dazu, trotz wunderbarer Erlebnisse und Tagesgeschehen im Positivsten noch das Negative zu sehen? Auch mir hat man vor kurzem gesagt, dass ich immer „Einschränkungen“ anfüge, selbst wenn ich von freudigen Ereignissen berichte. Das hat bei mir zur Folge gehabt, mal in mich zu gehen und mich in dieser Weise zu betrachten. Ich hoffe und glaube, dass allein schon dieses In-mich-gehen mir zur selbst gelobten Besserung verhilft.

 

Und das ist natürlich ein Grund, mir die Mitmenschen genauer anzusehen, wenn ich keine Angst mehr davor haben muss, in einen Spiegel zu schauen.Es stimmt, stelle ich dann fest: Sie nörgeln, auch wenn sie gerade ein schönes Erlebnis hatten oder eine Betrachtung der lichten Art erfahren haben.


So auch heute. Eine Vorfrühlingssonne beschenkt uns reich und lässt die ersten Krokusse aus der Erde kommen. Der Himmel ist ganz nordisch blau (das ist eine Farbe, die es nur hier gibt) und überspannt die Elbe, auf der wir erst gen Westen auf Lee fahren und wir durchaus auf dem Oberdeck der Hafenfähre das fröhliche Draußen genießen können. Um uns herum ähnlich gestimmte Menschen, die es wie wir schätzen, dass die Hafenfähren zu einem Preis von normalem Fahrgeld eine kleine Seefahrt erlauben. Hin und zurück. Zurück dann auf Luv, das ist kühler, frischer und als zwei große Pötte mitten auf der Elbe ihren Weg in die See nehmen, kommt auch noch ein kräftiges Schaukeln dazu. Die Sonne wärmt uns auf dem Rückweg nur wenig, aber die Möwen begleiten uns und am Himmel oben zieht ein Kranichschwarm gen Osten, immer die Elbe rauf. Es kann nichts Schöneres geben. Zeitlos, ohne Druck von irgendwelchen überflüssigen Terminen – es sind ja Ferien. Die Quiddjes auf der Fähre freuen sich wie irre, dass sie den Hafen und das Umtriebige der Werftanlagen so nah anschauen können.

 

An den Landungsbrücken angekommen, verlassen die meisten die Fähre und streben anderen Vergnügungen zu.

 

Wir auch. Wir schlendern zur nahen U-Bahn, um nach Hause zu fahren, wo Kaffee und frischer Butterkuchen warten. In der U-Bahn nun stehen sie. Mürrische Gesichter. Sie haben sicher keine Ferien. Eine etwas ältere Frau schaut aus dem Fenster und seufzt:

 

„Das ist doch ein wunderschönes Wetter, zum Eierlegen schön.“ (so weit, so gut) Aber sie setzt gleich hinterher:

„Kann das nun nicht ein paar Tage so bleiben?“ jammert sie und schaut ihren Begleiter an. Der nickt bedächtig.

 

Ich überlege. Gestern und vorgestern war das Wetter auch schön, nicht ganz so sonnig, aber vorfrühlingshaft. Und wie es morgen ist, wissen wirdoch noch gar nicht. Wieso jammert sie, ob es nicht ein paar Tage so bleiben könne? Wieso genießt sie nicht den Tag, den Augenblick? Und ihren Begleiter (vielleicht ihr Sohn?) erzieht sie ebenfalls zu einem Jammerer.

 

Ich erlebe solche Situationen häufig. Vor allem, wenn es um das Wetter geht. Wie war das noch? Das Wetter als Gesprächsstoff, weil man nichts anderes hat? Und dann ist das Wetter immer schuld und immer schlecht. Für einen selbst. Es regnet und ist deshalb angeblich „typisch für Hamburg“, was – mit Verlaub - nicht stimmt, wenn man sich die Mühe machen würde und mal in die Statistik schaut. Ist es im Sommer zu heiß, ist es gleich VIEL zu heiß. Die Menschen stöhnen, weil es mehrere Tage lang nicht geregnet hat, sie stöhnen, weil es mehrere Tage lang geregnet hat. Diesen zurückliegenden Winter hat es zuerst gar nicht geschneit. Bekommen wir keinen richtigen Winter mehr? fragten sich die Menschen und legten die Stirn in Sorgenfalten. Als dann der Schnee kam und sogar die Alster noch zufror, freuten sie sich nur einen kurzen Moment. „Nun kann es aber allmählich auch mal warm werden“, sagten sie. Nun wird es warm. Und dann? „Wer weiß, wie lange das anhält“, fragen sie sich und legen wieder die Stirn in Falten, weil die Sonne heute scheint und die übrigen Menschen gut gelaunt einher gehen. Ich übrigens auch.

 

Einen sinnigen Vorfrühling mit allem drum und dran allen Lesern meiner Streiflichter.