Hamburger Kaffee

Er ist bereits überall spürbar: Der Herbst. Nicht nur die morgendlich ganz andere Kühle. Nicht nur die früher einfallende Dunkelheit. Oder die Tendenz, einen etwas dickeren Pullover unter die Windjacke zu ziehen. Die Summe all dessen. Aber auch das milder werdende Licht der Sonne, wenn sie uns die immer später werdende Aufwartung macht. Die Momente, die wir nun gleichmütig im Freien verbringen, sind seltener geworden. Doch die Sehnsucht danach ist noch vorhanden und so geschieht es manchmal, dass Wünsche sich unmittelbar realisieren lassen. Kleine Wünsche, versteht sich. Die Wünsche, die ich als Honig des Alltags bezeichne.

Etwas müde von dem Tagesgeschehen – was auch nicht so unbedingt im Detail erfreulich war -, radle ich den Eppendorfer Weg entlang, träumend von einem lichtdurchfluteten Garten und einer guten Tasse Kaffee dort selbst. Bitte keinen 'Latte macchiato' oder ähnliches Zeugs, sondern eine Tasse Hamburger Kaffee. Ich weiß, dass er nicht in Hamburg angepflanzt wird, aber hier hat Kaffeetrinken Tradition. Seit 1677 wissen die Hamburger, wie Kaffee getrunken werden muss; damals hat ein Engländer (!) hier ein erstes Kaffeehaus eröffnet und vermutlich gesagt: 'Und was ist mit Tee?' Weshalb er dem Kaffeehaus gleich noch eine Teestube dazu gab.

Im Widerspruch zu meinem Vater stehend, der dann und wann diesen Spruch zum besten gab – Kaffee muss heiß wie das Feuer, süß wie die Liebe und schwarz wie die Nacht sein -, trink ich ihn am liebsten stark, heiß und mit „richtiger“ Milch dazugern ungeschäumt; manchmal mit ein wenig Kardamom.

Wie gesagt, Kaffee ist hier ein Traditionsgetränk und deshalb ziehe ich es heute noch vor, den Kaffee ohne eine dieser Maschinen zu trinken, die man mit sogenannten Pads füttert. Ich kaufe meinen Kaffee auch gern in einer kleinen Hamburger Kaffee-Rösterei, wo der Kaffee noch gehätschelt und liebgehabt wird.

Eben eine solche liegt auf meinem Nachhause-Weg. Im Sommer bei gutem Wetter werden die Kunden dann und wann auf eine Tasse Kaffee eingeladen. Serviert im Hinterhof des Geschäfts in einem irren Garten. Irre deshalb, weil er wirklich so ganz anders ist als andere Eppendorfer Gärten, auch ganz anders als andere Hinterhof-Gärten von Cafés oder anderen gastronomischen Einrichtungen. Aber der Garten passt gerade deshalb zu diesem Kaffee-Geschäft, das ein Adjektiv wie „irre“ durchaus vertragen kann und deshalb kaum beleidigt sein würde (wenn Geschäfte solcher Gefühle fähig wären, versteht sich).

 

Aber ich will nichts vorweg nehmen. Ich radle also besagten Eppendorfer Weg entlang und nähere mich meiner kleinen Kaffee-Rösterei, wohl daran denkend, dass mein Kaffee zu Hause auf den Rest geht und ich neuen besorgen muss. Und wie schön es wohl wäre, wenn gerade heute eine Einladung …... aber nein, es ist fast Herbst und windig. Die Sonne blickt zwar durch die dahin fetzenden Wolken, aber bestimmt ist die Saison für Kaffee dort im Freien vorbei.

Ich steige vom Rad, fessle es am stabilen Laternenpfahl und gehe auf den Laden zu. Und WAS steht dort auf einer so wunderbaren Tafel geschrieben?

„Sie sind herzlich willkommen,

bei uns einen Kaffee zu trinken.“

 

Herz, was willst du mehr! Mein weiter oben geäußerter Wunsch geht also in Erfüllung. Mein mentaler Ruf ist erhört worden.

Ich gehe durch diesen schon an sich sehens- und riechenswerten kleinen Laden, (der nur so tut, als sei er klein, denn was ich hier alles erstehen kann, braucht jede Menge Raum). Ich werde nichts hier aufzählen. Das muss man selbst gesehen haben, am besten in Verbindung mit dem zum Laden gehörenden Museum im 1. Stock UND mit einer Tasse Kaffee im Hinterhof.

Ich fühle mich gleich um drei Ecken wohler und genieße nach einem wirklich ganz kurzen Wartemoment den Kaffee, der mir serviert wird. Und ich mache ein paar Fotos vom Garten (siehe unten).

Nun kann der Alltag in den Abend eingehen und sich benehmen, wie er will.