Laternenzeit
Früh wird es dunkel. Kurz nach 16 Uhr geht die Sonne hier bei uns in Hamburg unter. Zeit für die anderen Lichter, die früh eingeschaltet werden. Zeit für die kleinen schaukelnden Lichter am Ende
langer dünner Holzstangen. Ein paar sind noch zu sehen, dann und wann. Die Sportvereine bemühen sich, sie in Umzügen zusammenzufassen. Mit Musik. Mit Triangeln, Trommeln und Querflöten. Ein
Spielmannszug zieht vorweg. Kleine Füße stapfen hinterher, neben sich die großen Füße. Kinderkarren mit angehängten wippenden Laternen. Die Kerzen darin sind längst Batterie gespeist. Nix mehr
mit Wachs und der gänsehautigen Gefahr eines kleinen Brandes.
Wie seltsam. Laternen sind doch dazu da, eine einzige Saison zu halten. Regen geht auf sie nieder, sie fallen in Pfützen und in nasses Laub. Und dann brannten sie früher manchmal auf. Es gab
Tränen und eine kurze Trauer, aber auch das Erlebnis, dass Papier schnell brennt. Die mit Wachspapier gebastelten brannten besser. Solange Erwachsene in der Nähe sind, ist das doch o.k. Und wie
lange sollen denn kleine Menschen heute laufen, wenn sie laufen? Bis die Batterie leer ist? Ist das ein Spaß? Heißt es nicht: "Brenne aus, mein Licht, brenne aus, mein Licht, aber nur meine
liebe Laterne nicht!"
Haben wir früher gesungen.
Heute traf ich so eine kleine Gruppe von kleinen und großen Menschen. Vermutlich Oma mit Enkeln: eines in der Karre, zwei nebenher; dann noch ein - Vater? Oma sang:
"Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne" und die kleinen Lampen wehten mit dem Wind an den Stangen in den kleinen Händen. Der Mann dabei brummte in einem tiefen Bass Unverständliches. Als ich
näher kam, hörte er ganz auf. Nur die Oma sang unermüdlich "Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne!"
Da fiel mir auf, dass sie nur diese Worte sang. Den Rest des Liedes hatte sie wohl vergessen.
Na, da können wir auch Batterie betriebene Laternen nehmen, wenn schon die Großmütter die Lieder nicht mehr kennen.