Eine der kurzweiligsten Geschichten von Ephraim Kishon ist so betitelt: "Du sprechen Rumänisch?"
Zur weiteren Abhandlung könnte sie auch lauten: Sprechen Sie Kyrillisch? Natürlich nicht. Denn Kyrillisch ist ein Alfabet und keine Sprache und wird bei weitem nicht nur für Russisch genutzt. Aber es hört sich doch so an, als könne man sagen: Sprechen Sie Kyrillisch? Oder?

Ich für meinen Teil spreche es weder, noch kann ich es lesen; partiell vielleicht. Also im Vorfeld meiner Reise nach Sankt Petersburg habe ich schon einige der Zeichen gelernt. Nur - genützt hat es mir nix. Denn das Buchstabieren der fremden Zeichen und das Zusammensetzen zu einem Wort brachte in den seltensten Fällen Erkenntnis der Bedeutung. Wie sollte es auch?

Immerhin konnte ich einiges aussprechen und dann Leute auf der Straße fragen. Sie konnten mir aber leider nicht antworten, weil sie mich dennoch nicht verstanden haben. Ich frage mich, wieso die in Sankt Petersburg lebenden Russen nicht Russisch sprechen können. Wahrscheinlich waren sie alle keine Russen, sondern kamen von ganz weit woanders her und deshalb sahen sie mich mit großen Augen an, hoben die Schultern, wackelten mit den Köpfen.

Ich bin dann zum Englischen gewechselt und habe gefragt:

Do you speak english?"

Das Wackeln der Köpfe in Links- und Rechts-Drehungen nahm zu, aber manchmal erhellten sich die Gesichter und sie nickten statt dessen. Und dann holten sie jemanden herbei, der auch kein Englisch sprach, aber auch nickte, und der holte dann jemanden herbei, der auf die Frage nach seinen Englisch-Kenntnissen immerhin antwortete: „Yes, little." Genau. Das war es schon. Little. Dabei lächelte er mich freundlich an.

Freunde hatten mir geraten, immer die jüngeren Leute anzusprechen, die hätten alle Englisch gelernt. Bis auf die, die es nicht haben. Und davon lernte ich eine Menge kennen.

Aber ich betone es auch hier in Deutschland immer wieder: Der Mensch ist nix im Lande mit einer fremden Sprache. Ich selbst rate jedem Migranten zu fortlaufender Übung und zu Deutschkursen. Wie schnell ist ein Malheur geschehen und es kommt zu Missverständnissen wie in der Bahnhofshalle, in der ich nach erfolglosen Versuchen anderen Orts nach einer „Einmal-Kamera" fahndete; so einer, die man einfach zum Entwickeln bringt und dann hat man die Bilder, aber keine Kamera mehr. Der Grund war einfach. Ich hatte mal wieder zu schnell und zu hastig meine Filme beladen und nun gab es immer noch Motive, aber kein leeres Bild mehr, was man hätte belichten können.(Anm. der Verf.: Nein, ich hatte damals noch keine Digital-Kamera mit Speicher!)

In früheren Urlauben war in diesem Fall eine Wegwerf-Kamera die Notlösung. Die macht zwar keine technisch und fotografisch einwandfreien Bilder, aber für Erinnerungszwecke und zum Füllen der Reise-Tagebuch-Seiten langt es allemal.

Ich habe also in dieser Bahnhofshalle, die angeblich über ein „Magazin" - also einen Verkaufsladen mit allerhand Ware unterschiedlichster Zwecke - verfügen sollte, diverse Menschen angesprochen und meinen Satz vorgetragen - den mit dem Englisch. Ich habe Hände und Füße zur Hilfe genommen und versucht, mich mit Zeichen verständlich zu machen. Ich habe ein Auge zusammengekniffen und mit einem kleinen Wink des gekrümmten Zeigefingers der rechten Hand über dem offenen Auge und mit dem Lippen gespitzen Ton „Klick" versucht, meinem jeweiligen Gegenüber mein Begehren klar zu machen. Die Folge war unterschiedlicher Natur. Das Zusammenkneifen des Auges legte einer als ein Zwinkern aus und folgte mir danach eine Weile. Ein anderer missverstand die Geste mit dem Zeigefinger und wollte mir eine Augenarzt-Praxis vermitteln. Eine ältere Dame antwortete mir auf Französisch, auch da bin ich nicht so gut. Ich kann zwar nach einem freien Zimmer in einem Hotel fragen, aber wenn mir jemand auf Französisch antwortet, kann ich diesem Redeschwall von weggelassenen Buchstaben nicht folgen.

 

Schließlich kam noch ein Bahnhofsbesucher, der einigermaßen Englisch sprach. Er verwies mich an die Oberstadt (also die 100 m lange Rolltreppe wieder rauf und dann rechts ab). Dort sei ein Geschäft mit ganz vielen Fotos.

Hoffnung schöpfend nahm ich dann diesen Weg und fand mich kurze Zeit später vor einem Ladengeschäft, dessen untere Fensterscheiben alle mit Pappe zugeklebt waren. Nur im Eingang prangte ein großes Schwarz-Weiß-Foto, unverkennbar ein Werbeplakat für Film und Foto mit dem Schriftzug einer sehr bekannten Kamera-Marke versehen. Also trat ich ein und sah mich am Ziel meiner Begierde. Regal um Regal gab es Video-Kameras, Fotoapparate, Handys, iphones und dergleichen. Ich trug meine Bitte nach einer Einweg-Kamera vor. Kopfschütteln. Spricht jemand Englisch? Oh ja, es sprach jemand. Ein schlaksiger junger Mann mit einem langen dünnen Hals (was nichts zur Sache tut und nur der Ausschmückung dieses Berichts dient), gekleidet in ein buntes gestreiftes Hemd, dunkle Hose, die ständig zu rutschen drohte, weil der junge Mann zu den Menschen gehörte, die augenscheinlich entweder nichts essen oder eben von Natur sehr sehr mager sind, also dieser junge Mann ließ mich nun erklären, was ich benötige. Seine Augen wurden immer größer und seine Wangen färbten sich etwas rot. Dann sagte er zu mir, dass dieses Geschäft ein seriöses sei und sie dergleichen nicht hätten. Einmal-Kamera unseriös? Wieso? Ich wagte nicht, diese Frage zu vertiefen und verließ den Laden.
Als der nächste Passant mich wieder an das „Magazin" im Bahnhof verwies, gab ich auf.

Um es kurz zu machen: Ich bin nicht fündig geworden. Im ganzen Umkreis des Wassilji-Prospekts nicht. Schade eigentlich. Ich hätte gern noch das kleine Flüsschen Smolenka und die Läden an der Metro fotografiert.