Mitten zwischen den Mietshäusern und den Blocks mit den Eigentumswohnungen findet man sich in kleinen Birkenwäldchen wieder. Jedes Häuser-Karree hat ein eigenes. Schlanke weiß-graue Stämme, das Blätterdach grün. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass dieses Grün dem Viertel ein unschätzbares Flair von Sommer gibt - auch, wenn es regnet.

Dazu kommen die Kinderstimmen am späten Nachmittag, wenn die Schule aus ist (also vor den großen Ferien). Ich sitze am Fenster des Hauses K 36 an der Nalichnaja auf dem Wassilj-Propekt. Die Sonne hat sich hinter den Wolken versteckt, die nach und nach einen feinen Nieselregen auf die Stadt fallen lassen. Nichts Schlimmes, aber doch Regen. Zwischen den Bäumen sind zwei Plätze ausgespart. Der Eine dient in Umzäunung dem Fußballspielen und Bolzen, der andre ist ein Spielplatz mit Schaukeln, einer Wippe, einem Sandkästchen, mehreren Bänken, die umlaufend angeordnet sind. Zwei Wege kreuzen diesen Spielplatz und ebenfalls ein Zaun verhindert Hunden den Zugang.

Von unten dringt Kindergeschrei und Lachen zu mir nach oben. Ich beobachte, wie einige Erwachsene mit Kleinkindern an der Hand ankommen, während andere - größere Kinder - schon dort sind. Es gibt sie eigentlich in allen Altersklassen . Den ältesten Jungen schätze ich von meiner etwas entfernten Zuschauertribüne auf 14 bis 15 Jahre, das jüngste, was ohne erkennbare Begleitung dort ist, auf etwa vier Jahre. Es sind - grob gezählt - 15 Kinder dort unten (ohne die in der Karre oder in der Sandkiste). Und alle spielen sie miteinander.

Sie spielen Verstecken und Abschlagen (Kriegen), toben gemeinsam um die Schaukeln und geben sich zwischendurch auch mal einen Schaukel-Stoß, wenn eines der Kinder das Schaukelbrett erobert hat. Sie wetteifern untereinander, wer auf der Wippe schwerer ist und heben nebenbei mal ein Kleinkind vom Boden hoch, das auf noch nicht ganz standfesten Beinchen durch die Gegend trabt.

Sie spielen auch Spiele, hinter deren Sinn ich nicht komme, wie zum Beispiel eines, bei dem immer zwei oder drei Kinder sich an den Händen fassen und dann wie aufgezogene Kreisel um den Platz toben. Offensichtlich tun sie auch das um die Wette.

Kennen Sie noch das Spiel „Hallihallo"? Nein? In diesem Spiel sitzt eine Reihe von Kindern auf einer Bank, Kante oder was sich sonst zum Sitzen eignet. Ein weiteres Kind steht vor ihnen und hat einen Ball in der Hand. Es ist ein Rätsel-Spiel. Das Kind mit dem Ball sagt: „Ein Begriff, der (zum Beispiel) mit A beginnt." Und wirft dem ersten Kind in der Reihe den Ball zu. Nun geht das Raten los. Wenn die ganze Reihe durch ist und jedes Kind hat einmal den Ball in der Hand gehabt und das Wort/der Begriff wurde nicht geraten, nennt das Kind, welches vorn steht, den zweiten Buchstaben des Wortes. Das ist vielleicht ein B. Das Raten geht solange, bis ein Kind den richtigen Begriff nennt. Dann muss das Kind, was der Gruppe vorgestanden hat, den Ball möglichst hoch werfen. „Hallihallo" rufen - fragen Sie mich nicht, weshalb - und schnell weglaufen. Je weiter, desto besser, denn mit dem Laufen ist es Schluss, sobald das Ratekind den Ball aufgefangen hat. Nun ist aber noch nicht Ende, denn das fortgelaufene Kind muss seine Arme nach vorn ausbreiten und daraus einen Halbkreis formen, so groß als möglich. Das Ratekind versucht dann, den Ball in diesen Halbkreis zu werfen. Gelingt es ihm und der Ball fällt durch die Arme nach unten, wechseln das Ratekind und das Weglauf-Kind die Rollen und nun darf das Ratekind mit dem Ball vor der Gruppe stehen und ein Rätsel aufgeben. Gut, das alles natürlich auf Russisch und ich kann nur vermuten, dass es sich um „Hallihallo" handelt, aber es sieht genau so aus wie früher bei uns.

Wir hier in Hamburg haben das Spiel früher in der Nachbarschaft mit Begeisterung und nahezu ohne Ende gespielt. Früher - als es noch keine Handys gab und wir unsere Freizeit unmittelbar miteinander verbrachten anstatt zu simsen. Früher, als es noch keine PC-Spiele gab und wir den lieben langen Tag draußen waren, von morgens bis abends.

Nun, diese Zeiten sind hier vorbei, in Petersburg halten sie anscheinend an. Denn die Kinder auf dem Spielplatz dort unten spielten das Spiel, bis der Tag sich zum Abend neigte und bis von irgend woher jemand sie nach Hause holte.
Und auch der Bolzplatz wird bis in die späten Abendstunden genutzt. Es sind ein paar erwachsene Männer dort und eine Gruppe Jugendlicher, die mit einem Ball mal Fußball, mal Korbball spielen.

Von den rings wohnenden Nachbarn hört man nicht einen Laut, der um Ruhe nachfragt oder gar die Kinder und Jugendlichen des Platzes verweist. Nein, es ist ganz offensichtlich: Hier ist das Spielen noch erlaubt.

Und das Ganze, während es nicht aufhört zu regnen.