Nehmen Sie Ihr Haustier mit an Bord!

heißt es in der Werebroschüre der beiden Kombifrachter, mit denen seelufthungrige Reisende von Lübeck nach St. Petersburg fahren können.

Und weiter heißt es dort:

Es gibt kaum einen leichteren Weg mit Ihrem Haustier zusammen zu verreisen, als eine Überfahrt mit Finnlines.


Und davon konnte ich mich unmittelbar nach der Eincheckung überzeugen. Nicht, dass ich so einen vierbeinigen Freund dabei gehabt hätte, aber eine Mitreisende namens Swetlana wurde von einem etwas schwergewichtigen Cockerspaniel mit Namen „Archibald“ begleitet. Ich fragte mich schon, wie denn dieser Hund wohl seine „Entsorgung“, die ja üblicher Weise anfällt, erledigen würde. Ob in Swetlanas Kabine oder so?

Viel einfacher! Bei einem meiner ersten Rundgänge an Bord entdeckte ich einen eingezäunten rechteckigen Platz auf dem Vorschiff. Wie groß mag er gewesen sein, so um die 15 mal 20 m vielleicht. Mittig gab es eine Art Sandkasten von ca. 5 mal 5 m und hier wiederum mittig befand sich ein „Baum“. Naja, es war das Fragment eines Baumes. Ihm fehlte die Krone und sicher auch die Wurzel, aber dieses Strückchen Stumpf mit einer Höhe von rd. 1,50 m diente dem Zweck, den auch ein ganz normal verwurzelter und Krone tragender Baum in der Stadt unter anderem häufig dient, nämlich dem eines Stammbaumes, wenn auch nur für die Zeit der Überfahrt.

Und hätte ich es nicht schon erraten, welchen Sinn diese eingezäunte Anlage hat, so wurde der Nachweis gerade angetreten. Swetlana erschien samt „Archibald“ auf der Bild- und gleich darauf in der eingezäunten Fläche.

Es war ansonsten nicht viel los an Bord. Wir lagen noch am Verladekai, die Polizei und Zoll waren ebenfalls noch nicht fertig mit dem letzten Check von was auch immer und so hatten die Passagiere ohne Hund oder anderes Hausgetier die Muße, dem Treiben von „Archibald“ und Swetlana in aller Ruhe zuzusehen.

Ich meine, wir wissen schließlich alle, was so ein Hund beim „Gassi-Gehen anstellen resp. anheben muss, nämlich irgendwann mindestens ein Bein und das tat unser „Archibald“ auch hier. Als habe er es immer schon gewusst, dass dieses Stümpfchen vom Baum ihm jetzt und hier ganz allein gehört. Vielleicht ist es bei anderen Überfahrten mal anders und auch die Hunde müssen sich womöglich anstellen wie wir Menschen mitunter bei öffentlichen Einrichtungen der notwendigen Art, aber hier und heute hatte er das Arreal für sich. Und er genoss es ausgiebig. Während Swetlana wie unbeteiligt in die Gegend schaute und wie beiläufig ab und an die Decks hoch sah um festzustellen, dass das Publikum noch vorhanden war, schnüffelte „Archibald“ und verrichtete und schnüffelte und verrichtete noch mehr. Sparsam und gut haushaltend immer ein paar Tröpfchen. Er genoss es, das war deutlich zu sehen. Einige können das ja stundenlang, möchte man meinen. Und wie wohlerzogen er dann an der Leine den Platz seiner Träume wieder verließ, kein Schnüffeln anderswo und schon gar kein Verrichten irgendwelcher Geschäfte.

Brav! sagte Swetlana. Ich bin sicher, sie sagte es, denn ich konnte es nicht wirklich hören und falls, wäre es vermutlich auf Russisch gewesen, obwohl „Archibald“ ganz international Laut gab.

Wie sie sich wohl verständigt haben?


Ich habe Swetlana in den nächsten Stunden und Tagen auch ohne „Archibald“ getroffen, denn in das Restaurant durfte er nicht mit und musste so in der Kabine bleiben. Swetlana erzählte mir, dass sie diese Reise jedes Jahr einmal unternahm. Sie lebte seit rund 15 Jahren im Süden Deutschlands, war mit einem Landsmann verheiratet und sprach kaum Deutsch. Wir unterhielten uns auf Englisch.

Im Restaurant waren die Passagiere sehr „aufgeteilt“. Wir hatten – so wir allein reisten – je einen separaten Tisch für uns. Das hielt mich nicht davon ab, mich zu Swetlana zu setzen. Allein essen ist öde und außerdem wollte ich schon vor St. Petersburg einiges wissen.

Es war ein großes Glück für mich, mit Swetlana zu reisen. Doch dazu später.

Außerhalb der Mahlzeiten, von denen ich ja soviel nicht hatte und immer sehr schnell wieder aufgeben musste, trafen wir uns nur einmal an Deck. Da saß Swetlana auf einer der Holzbänke und „Archibald“ saß mit seiner ganzen Übergröße auf ihrem Schoß. Na, vielleicht war er doch kein Cocker, sondern ein Schoßhund, wer weiß.