Aufstand in der Stadt!
4000 Ausländer benahmen sich, als ob die Stadt ihnen gehöre.
Regierung gibt endlich den Forderungen der Einheimischen nach.

Es war ein schönes Land. Die Menschen, die dort lebten, waren freundlich und warmherzig. Manchmal neigten sie dazu, ein wenig aufbrausend zu sein, aber nur ein wenig. Sie gingen tags ihren Geschäften nach, bestellten ihre Felder, liebten ihre Kinder und ihre Türen standen offen für jedermann. Die Früchte wuchsen in Fülle und lieblich schmeckte der Wein. Musik, Tanz und Gespräche unter Freunden erfüllte die Abende. Es war ein schönes Land.

Eines Tages kamen Fremde ins Land. Sie lobten das einheimische Essen und die friedlichen Bewohner - auch dafür, dass die Türen so gastfreundlich offen standen. Sie kauften gern in den kleinen duftenden Läden ein und versorgten sich auf den Märkten. Dort machte es ihnen viel Vergnügen, sich den Gepflogenheiten des Landes anzuschließen und die Ware durch geschicktes Handeln immer etwas billiger zu erstehen.

Sie fuhren wieder nach Hause und erzählten dort von den paradiesischen Zuständen in diesem Land, was zur Folge hatte, dass es bald viele ihnen gleichtaten und ebenfalls in dieses Land reisten. Immer mehr wollten teilhaben an den Genüssen dort, an der Wärme und Freundlichkeit der Herzen der Bewohner, von der Blütenpracht im Frühling und Sommer.

Und jedes Jahr wurden es mehr, die nicht mehr nur aus der Ferne von den schönen Geschichten mit eigenen Ohren hören, sondern es mit eigenen Augen sehen, mit eigener Nase riechen wollten. Das Paradies.

Unmerklich, aber unaufhaltbar änderten sich die Verhältnisse. Kamen zu Anfang gerade mal 2 Besucher auf 100 Einwohner und gab es ausschließlich einheimische Land- und Geschäftsinhaber, so verschob sich diese Menge sehr zugunsten der Gäste, bis eines Tages schon mehr Ausländer als Einheimische dort waren. Das Land wurde eng.

Und damit nicht genug: Nach und nach verspürten die Gäste eine Art von Heimweh dort in der Fremde, die sie jedoch nicht mit dem Schluss belegten, das Land zu verlassen. Nein, sie forderten eigene Gebräuche ein, insbesondere sagte ihnen das Essen dort nicht mehr zu, die landesübliche Musik störte sie, die Märkte waren ihnen zu dreckig, und überhaupt - konnten sie nicht alles besser und waren deshalb auch die besseren Menschen, weshalb ihnen das Recht auch zustand, dieses Paradies zu dem ihren zu machen?

Dazu kam noch, dass wunderbar gelegene Grundstücke in ihren Augen verkamen, weil die Einheimischen ihren Tag nach Lust und Laune einteilten und vor allem über Mittag faul in der Sonne dösten, auch deshalb nicht in der Lage waren, ihren Reichtum zu vermehren. Und das war doch der einzige Lebenszweck überhaupt. Schon deshalb gehörte der Besitz in professionelle Hände. Wenn man fleissig war - diese Eigenschaft insbesondere zeichnete die ehemaligen Gäste aus wie keine andere - konnte man viel mehr daraus machen. Zum Beispiel ein Hotel bauen o.ä. So wechselte der Grundbesitz in traumhafter Lage mit Blick auf die Weite des Landes für'n Appel und ein Ei an die Gäste, weil diese ein jahrzehntelanges Know-How an Geschäftemacherei mitbrachten. Sie konnten reden und überzeugen, schließlich gehörten sie zu den Nachkommen einer großen Denkerfamilie. Böse Zungen behaupteten, dass zuweilen auch mit etwas Härte nachgeholfen wurde, aber das entbehrt jedes Beweises und wenn überhaupt, so hatte das bestimmt auch seinen Grund.

Die kleinen Läden wurden zu Enklaven der Gäste mit eigener Musik, eigenem Essen und ganz ureigenen Bräuchen. Der schwere Wein aus Gläsern wurde, da er für dicke Köpfe am anderen Morgen verantwortlich zeichnete und obendrein teuer war, ausgetauscht. Statt seiner floss das Bier in Strömen durch Strohhalme, die in Plastikeimern steckten. Das hatte zwar die gleiche Wirkung wie zuvor der Wein, war aber erheblich billiger und das Heimweh ließ entschieden nach.

Die Einheimischen - vorher Ladenbesitzer - verdingten sich in Ermangelung anderer Einnahmen bei den nun sehr groß gewordenen ehemals kleinen Läden und servierten dort besagtes Bier und das importierte sehr viel fettere Essen, welches zur Grundlage der Leerung von Biereimern unbedingt notwendig war.

Die früher so bestaunten und hofierten einheimischen Genüsse, insbesondere eine leckere kleine weiße Zwiebel, die noch den Vorteil hatte, dass Blutsauger Abstand nahmen, wurden verpönt und in den Müll geworfen.

Die Einheimischen schauten sich die Übernahme ihres Landes lange Zeit sprach- und gegenwehrlos an. Das hatte seinen Grund darin, dass sie am Anfang überhaupt nicht begriffen, was vor sich ging. Außerdem schien es ihnen sinnvoll, ein wenig von den Gästen zu profitieren, aber eben nur ein wenig.  Als sie anfingen, das große Ganze zu begreifen, war fast schon alles gelaufen und nahezu zu spät, Dinge rückgängig zu machen. Im übrigen ließen sie ihre ehemaligen Gäste auch gewähren, weil sie immer noch davon überzeugt waren, dass Gäste eben wie Gäste zu behandeln waren. Hätten sich diese besagten Gäste nicht einen groben Schnitzer erlaubt, wäre vermutlich alles so weiter gelaufen. Doch es kam - viele sagen heute zum Glück - alles ganz anders. Und Schuld daran waren die Gäste, wie gesagt, ganz allein.

Nachdem sie ganze Straßenzüge im Land übernommen und dort ihre eigene Kultur der einheimischen übergestülpt hatten, fühlten sie sich wie die eigentlichen Besitzer des Landes.

Das hatte nun zur Folge, dass sie Forderungen gegenüber der dortigen Regierung aufstellten. Sie wollten ihre Sprache dort durchsetzen und anstelle der Nationalhymne sollte zu festlichen Anlässen ihr „Humba-Humba-Tätärää" oder zumindest „Polonäse Blankenese" gespielt werden. Außerdem verlangten sie, dass das dort übliche Händeschütteln mit den Einheimischen aufhöre und diese vielmehr den Daumen an den Kopf halten sollten, um so ihre Ehrerbietung gegenüber den neuen Landbesitzern zum Ausdruck zu bringen.

Alle drei Forderungen wurden von der Regierung, nach hitzigen Debatten zwar, rigoros abgelehnt, woraufhin die Ausländer, die sich schon längst gegen diesen Begriff in der hiesigen Presse zur Wehr setzten, zum Angriff übergingen und nun Nacht für Nacht in ihren Restaurants und Kneipen „ihr" Lied spielten, und zwar in einer Lautstärke, dass kein Einheimischer mehr ein Auge zutat.

Restaurants dicht - da gingen 4000 auf die Barrikaden

Da alle Ermahnungen von Seiten der Behörden nichts fruchteten, wurden einige Etablissements geschlossen. Was für ein Frevel. Das wiederum ließen die Besitzer und ihre mitgebrachten Freunde nicht auf sich sitzen. Sie gingen auf die Straße, skandierten „Wir wollen unsere Eimer wiederham!" und hielten Transparente in die Höhe, auf denen den Einheimischen unmissverständlich „Fremdenfeindlichkeit" vorgeworfen wurde. Auf dem Weg, den die Demonstranten beschritten, wurden Müllcontainer umgeschmissen, Autos in Brand gesteckt und herbeigerufene Polizisten bespuckt und beschimpft.
Das Ganze eskalierte noch, weil eine Gegen-Demo der Einheimischen auf den Plan trat, die auf ihren vorangetragenen Schildern „Ausländer raus aus unserem Land" stehen hatten. Beide Gruppen prallten in einem der Straßenzüge mit den zur Zeit geschlossenen Restaurants aufeinander und es kam zu tätlichen Auseinandersetzungen, bei denen keine Fensterscheibe heil und kein Auge trocken blieb. Letzteres einesteiles wegen der Schmerzen durch „Feindberührung", anderenteils wegen der Tränen, die hinterher aus Wut und Scham und auch Traurigkeit flossen.

Aus diesem Vorfall, der leider kein Einzelfall blieb, zog die Regierung endlich Konsequenzen. Die gewalttätigen Ladenbesitzer wurden des Landes verwiesen; Einreisebestimmungen wurden verschärft, indem die Visumspflicht wieder eingeführt wurde. Ausländer, die nun in dieses schöne Land reisen wollten, mussten nachweisen, dass sie weder Alkoholiker noch Drogenkonsumenten sind; sie müssen ein Führungszeugnis vorlegen und bei Einreise unterschreiben, dass sie die vorherrschenden Religionsgesetze achten und nicht mehr bekleidet mit kurzer Hose und grauen Socken in braunen Sandalen den Strand betreten. Sie müssen in der Lage sein, die einheimischen Nationalhymne vom Wortlaut her zu kennen. Man hatte sogar vorgehabt, diese jeweils beim Auschecken aus dem Flugzeug singen zu lassen, aber nach den ersten Versuchen, hatte man festgestellt, dass immer „Humba-Humba-Tätäraa" daraus wurde. Deshalb verzichtete man lieber darauf.

Langsam wird das Land wieder zu dem Paradies, das es einmal war. Die Läden gehören wieder den einheimischen Händlern, Wein wird nur noch in Gläsern ausgeschenkt und der bekömmliche Salat ist wie zuvor mit einheimischen Gewürzen und Kräutern bereichert.

Die ausländischen Rüpel haben das Land verlassen. Vermutlich suchen sie sich einen neuen Ort, an dem sie sich nicht wie Gäste benehmen müssen; dieser Ort liegt vielleicht sogar in ihrer eigenen Heimat, wie man den Überschriften der dortigen Zeitungen entnehmen könnte. Aber damit müssen die Leute halt an Ort und Stelle fertig werden.

Mallorca jedenfalls ist wieder spanisch.

Einem Artikel der Hamburger Morgenpost vom 7. September 2000 nachempfunden und mit Inhalt ausgeschmückt.