Rabenvögel

So geschehen am Anleger in Finkenwerder

 

Dass Rabenvögel klug sind, weiß ich längst. Aber ich bin hin und weg, wenn ich sie in einer klugen Handlung beobachten kann. So wie am Sonntag in Finkenwerder. Eine Regenpause. Kleine Pfützen hier und dort. Am gutbestücken Radständer macht sich eine Rabenkrähe an einem defekten Sattel zu schaffen. Leder mit Schaumstoff. Löcherig. Wer weiß, wie lange schon. Der Vogel hat sich darauf niedergelassen und pickt und zerrt vom Leder oder auch vom Schaumstoff. Hat sie Hunger? Sucht er/sie etwas für den Horst nahebei? Leider habe ich nix in den Taschen außer Traubenzucker. Ich möchte dem Vogel was Gutes tun. Also teile ich einen der Traubenzucker-Würfel und werfe ihm eine Hälfte hin. Das Stück landet auf halbem Weg zwischen mir und den Rädern auf einem mehr oder weniger trockenen Stück Asphalt. Natürlich hat die Rabenkrähe es sofort erspäht und landet mit einem einzigen eleganten Flügelschlag direkt vor dem Zucker. Der lange dunkle Schnabel nimmt ihn auf, versucht, ihn zu zerteilen, merkt, das geht nicht so einfach – und transportiert ihn zur nächsten Pfütze. Dort findet der starre Zucker sein Schicksal und löst sich ein Stückchen weit auf. Nicht zu viel. Nicht krümelig. Nur ein bisschen. Nun nimmt der kluge Vogel ihn wieder mit dem Schnabel auf und legt ihn sorgfältig neben der Pfütze ab, wo der Zucker seinen endgültigen Weg in den Magen des Vogels nimmt. Ich bin fasziniert. Leider habe ich das nicht aufnehmen können. Weil – Handy-Kamera nicht parat, sondern im Rucksack. Das Herauskramen hätte mir alles kaputtgemacht, weil der Vogel fortgeflogen wäre. Durch meine Kramung.